Texte zum Kunstwerk

Marianne Pitzen

Frauenmuseum Bonn 2001

Ausstellung: Aufanische Matronen


 

Macht der Drei

 

Die drei Plätze

der Macht

sind in schönstem

matronalen Design“ gestaltet.

Ein Hauch Ironie

weht durch die ovalen Öffnungen.

Das Publikum darf Platz nehmen

auf dem jeweiligen Lieblingsthron

bzw. auf allen Thronen

und darüber nachdenken

in welcher Gestalt kommt die Macht

die weibliche Macht daher

wenn sie als positive Kraft

verstanden werden soll.

Als Wille zu Transparenz

Klarheit und Konzentration

auf das Wesentliche.

Die Künstlerin hofft

dass Sie gestärkt

aus dieser Rauminstallation gehen.

Dr.Elisabeth Geschwind

Kunsthistorikerin

 

 

MACHT DER DREI

 

Einige Jahre hatten Besucher des Alten Rathauses von Euskirchen Gelegenheit, sie kennen zu lernen, die MACHT DER DREI. Die Installation stand dort ganz nah am Publikumsstrom. Anders als in der künftigen Ausführung in Nettersheim waren die drei Elemente DER DREI aus gleichem Material, Holz, gefertigt. Damals wie künftig sind sie wie folgt angeordnet:

 

Drei hochlehnige Throne stehen in einem kleinen Kreis einander gegenüber (auch wenn es realiter Stühle sind, sind es in diesem Zusammenhang - Throne!) Die Lehnen haben in Überkopfhöhe eine längsovale Aussparung. Um jeden Thron verläuft eine spitzovale Form, nämlich hoch über jedem der drei Elemente und unter den Beinen der Sitze durch, ein Rahmen also. Bei zweien faltet Birgit Sommer den Bogen dieses Rahmens weit gebreitet nach vorne auf, beim dritten faltet sie ihn ebenso weit nach hinten. Genau dieses Ensemble war in Euskirchen in leuchtendem Rot gehalten, wie die beiden andern in Schwarz und in Weiß.

 

Die MACHT DER DREI – in der Eifel ist es klar, dass es sich bei dieser „Dreifaltigkeit“ um die drei germanisch-keltisch-römischen Matronen handelt, einheimische Göttinnen, die das Leben in all seinen Aspekten schützen sollten. Die Votivsteine datieren fast alle ins 2. und 3. Jh... Wie die Inschriften besagen, haben Dorfgemeinschaften sie gestiftet, wie auch einzelne Männer und Frauen und sogar römische Besatzer!

 

Auf den Votivsteinen der dreifaltigen Göttlichkeit der Matronen (ein mindestens vorgriechisch altes matriarchales Motiv) bleibt aufgrund der streng und eng gefassten ikonografischen Variabilität die Ausführung nahezu immer gleich gestaltet. Die Matronen in den Nischen ihrer Votivsteine sitzen immer nebeneinander, auf ihren Besucher ausgerichtet. Zwei ältere / alte Matronen, als solche gekennzeichnet durch ihre hoch und breit aufgebauschten runden Hauben, nehmen eine junge Matrone in die Mitte; langes, gelöstes Haar veranschaulicht ihre Jugend. Solch religiöse Konfrontation zwischen dem anzubetenden Objekt und dem betenden Subjekt findet sich global in allen Religionen.

 

Birgit Sommer ordnet dagegen die Throne mit den Mandorlen (das ist hier der einzig angemessene Begriff für diese alte Würdeform in der Kunst) so an, dass jeder der Matronen – Sitze den beiden anderen im Kreis nahe steht, aber, und das ist entscheidend und damit entscheidend anders als bei den drei Matronen der Votivsteine, jeder Thron steht frei! So schafft Birgit Sommer erst durch diese „Um – Setzung“, wie sie es präzisiert, die neue Konstellation: auf solchen Thronen sitzend, ist es leicht möglich, in einen fühlsamen Dialog zu kommen, nämlich einander nah zu sein und dabei selbst frei zu bleiben!

 

Damit ist auch die Frage beantwortet, weshalb die drei Schutzgöttinnen selbst fehlen können an diesem Matronenort der Birgit Sommer; denn jeder Besucher ist eingeladen in den heiligen Bezirk und an ihrer Stelle auf den Thronen Platz zu nehmen. Die großen ovalen Aussparungen in den hohen Lehnen werden zum „Heiligenschein“ für jede Person, die sich dorthin setzt. Gleichzeitig zitieren diese „Heiligenscheine“ auch die übergroßen Würdehauben der Matronen, Ausweis ihres göttlichen Wirkens. Marianne Pitzen interpretiert sie als Kennzeichen des gespeicherten Wissens und der Weisheit der drei göttlichen Frauen (Matronis, 2001, S.30). Solche übergroßen Kopfbedeckungen wollen seit Jahrtausenden, genauso wie heute, von ihren Trägern als Zeichen gottgegebener Würde verstanden werden.

 

Mit den drei hohen mandorlaförmigen Rahmen rund um die Matronensitze greift Birgit Sommer intuitiv ein seltenes Motiv in der religiösen Kunst auf, sedes sapientiae, der Sitz der Weisheit, so z.B. in Tahull, Catalonien, 12.Jh : Die Madonna mit ihrem Kind auf einem Thronsitz, ihr Haupt ist umgeben von einem Heiligenschein – soweit gebietet es die ikonografische Konvention. Nun ist aber das gesamte Motiv umgeben von einer hohen Mandorla, die auch unter dem Thronsitz verläuft wie in die MACHT DER DREI!

 

Das Fehlen der konventionellen Hauptpersonen in diesem Matronen – Kunstwerk der Birgit Sommer, ermöglicht das eigene Einfühlen in hohem Maße … wie fühle ich mich in der Gesamtheit dieses besonderen Ensembles, wie fühle ich mich als ein Teil davon, frei von den germanisch-keltisch-römischen Kultvorgaben, ebenso losgelöst von den üblichen Vorgaben wie der Definition von Kunstwerk und Kultstätte. Diese beiden Begriffe haben mit Unberührbarkeit in mehrfachem Sinne zu tun. Betrachtend und / oder betend sind dort Mann und Frau angehalten, vor dem sacrosancten Bereich zurückzubleiben. Birgit Sommer kehrt diese Haltung mit einem feinsinnigen Handstreich einfach um: Sie, die Besucher sind ausdrücklich eingeladen, in den Zirkel der drei Göttinnen einzutreten, sich auf ihren Thron-Stuhl zu setzen – und diesen göttlichen Platz zu füllen und zu erfühlen!

 

Die MACHT DER DREI wird in drei unterschiedlichen Materialien gebaut werden, die das Spektrum DER DREI versinnlichen, buchstäblich begreifbar machen. So wird dem Thron der jungen Matrone Metall entsprechen; es ist beeinflussbar, veränderlich, leitend, von hellem Klang. Dem Sitz der mütterlichen, nährenden Matrone wird Holz entsprechen; auch nährend, genährt, weitergebend, eine Pflanze. Dem Sitz der weisen Alten entspricht wohl am ehesten Stein, Stein, in dem Jahrmillionen altes Erdwissen gespeichert vorzustellen ist. (Die künftige Ausführung wird in Kunststein sein, also Beton.)

 

Wie im Modell zu sehen ist, stellt Birgit Sommer DIE DREI einander zugewandt auf eine kreisrunde Bodenplatte, die ihrerseits aus drei Ringen besteht (siehe Skizze). In drei breiten Flammen sind sie aneinander gefügt, der Abfolge der drei Lebensepochen der Throne entsprechend. Dieser Bedeutungskreislauf ist mehrdimensional sichtbar und einsichtig gemacht von der Künstlerin: Horizontal in den bedeutungsvollen Materialien der Bodenelemente und der Ikonografie ihrer Aufeinanderfolge, vertikal in den drei Matronensitzen mit ihren alten und heiligen Würdeformen – die bei Birgit Sommer bedeutungsvoll ohne göttliches Personal auskommen. Das Verweben der Bedeutungsebenen im Sinne eines ununterbrochenen Kreislaufs findet zudem wie in einer Kuppel über dem Werk selbst statt, ständig.

 

Anders als zu den Votivsteinen werden zu diesem Kunstwerk MACHT DER DREI keine Gläubigen pilgern. Dort zu erwarten sind Menschen, die diesen Ort der inneren Ruhe und stillen Kommunikation aufsuchen wollen. Weil sie ohne Ablenkung für sich sein können, geschützt und schützend, vielleicht mit einem neuen Blick auf sich selbst und andere. Und sicher werden zu diesem außergewöhnlichen Ort viele Kunstbegeisterte „pilgern“, um davon Teil zu werden, für eine kleine Zeit lang.

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